Seit dem 09.02.2022 besitze ich nun meine Photovoltaik-Anlage zusammen mit einem Stromspeicher vom Hersteller SENEC. Doch am 09.03.2022, also exakt einen Monat später, ging mein Stromspeicher nicht mehr und 2 Stunde später hatte ich eine eMail in meinem Postfach vom Hersteller, das dieser per Fernabschaltung deaktiviert wurde. Ich möchte dazu einfach nur den ersten Absatz aus der Mail hier zitieren:
„wir haben heute als reine Vorsichtsmaßnahme Stromspeicher vollautomatisch in einen geregelten Standby-Modus versetzt. Es handelt sich dabei um eine freiwillige und präventive Maßnahme. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es technische Probleme mit unseren Systemen gibt.“
Ich war, wie soll ich es diplomatisch sagen, davon nicht besonders angetan. War mir bis jetzt überhaupt nicht bewusst, das der Hersteller über das Internet mein Eigentum mal eben so abschalten kann. Und das mit der Begründung, das es keine Anhaltspunkte für Probleme mit dem System gibt. Äh, bitte was? Ist hier irgendwo die verstecke Kamera????
Tatsächlich gab es wohl 3 Systeme in Deutschland, wo es Verpuffungen in Verbindung mit dem Stromspeicher gab, aber nichts genaues weiß man nicht. Aber trotzdem – ist das so in Ordnung? Ich mein, nur mal so als Beispiel: ein Autohersteller ruft im Zweifel die Autos zurück und lässt den Kunden also entscheiden und legt nicht mal eben das Auto lahm. Immerhin vergreift sich der Hersteller hier an mein Eigentum – darf er das, selbst wenn eine Gefahr besteht?
Wer mich kennt, weiß, das die Juristerei ja nicht nur mein Steckenpferd ist, sondern ich viele Jahre auch beruflich da unterwegs war. Und natürlich lässt mich das ganze keine Ruhe….
Darf der Hersteller SENEC meinen Stromspeicher (mein Eigentum) einfach aus der Ferne abschalten?
Erstmal muss man gucken, ob es dazu irgendwas vertragliches gibt. Das ist bei mir nicht der Fall, denn mit SENEC habe ich keinerlei Verträge abgeschlossen. Und selbst wenn, SENEC redet nur von einer Fernwartung.
Theoretisch ist es also denkbar, das SENEC im Sinne einer Verpflichtung zur Gefahrenabwendung hier rechtmäßig oder vielleicht auch rechtswidrig, aber entschuldbaren Eingriff in meine Rechtssphäre vorgenommen hat.
Allerdings gibt SENEC selbst in Ihren Informationen an, das es keinerlei Anhaltspunkte für technische Probleme mit den Systemen gibt.
Wäre es wirklich so, würde das Unternehmen nicht alle Stromspeicher außer Betrieb setzen – also ist höchstwahrscheinlich die Aussage falsch. Aber rein basierend auf den vorliegenden Fakten dürfte hier also auch keinerlei Verpflichtung für irgendeine Gefahrenabwendung vorliegen, wenn es doch keinerlei Anhaltspunkte für technische Probleme gibt.
Die Antwort lautet also ganz klar: Eine Abschaltung dürfte nicht zulässig gewesen sein. Jedenfalls nicht mit dieser Begründung (die auch bisher nicht in irgendeiner Form korrigiert wurde).
Was ist mit meinen Mehrkosten für den Strombezug aus dem Netz / Schadenersatz ?
Das die Abschaltung nicht ganz ohne ist, dürfte auch dem Hersteller klar sein – er bietet, rein auf Kulanzbasis, eine Kompensation von 25 EUR je angefangener Woche an, wo der Stromspeicher nicht nutzbar ist. Hier muss jeder für sich selbst rechnen, ob das passt. Denn aufgrund der Abschaltung dürften die Chancen für Schadenersatz recht hoch sein – das sehen wohl auch die Juristen bei SENEC so. Für mich sind 25 EUR ausreichend und passend – es müsste in etwa tatsächlich der reale Schaden sein. Das es offiziell auf reiner Kulanzbasis läuft, stört nicht weiter, solange die Zahlung am Ende tatsächlich geleistet wird. Allerdings muss man beachten, das Schadenersatzzahlungen für gewöhnlich steuerpflichtig sind und das dürfte auch für diesen Fall gelten.
Darüber hinaus gibt es übrigens bei Anlagen, die sich noch innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von 2 Jahren befinden, auch die Möglichkeit, den Händler, bei dem man die Anlage gekauft hat, seine Rechte geltend zu machen. Dann aktuell läuft die Anlage nicht wie beauftragt / vertragsgemäß vereinbart.
Wie liquide ist SENEC hinsichtlich meiner Ansprüche?
SENEC ist eine 100%ige Tochter der EnBW AG. Das heißt aber nix. Im Jahresabschluss für das Jahr 2019 (neuere sind bisher nicht öffentlich verfügbar) heißt es beispielsweise „Weiterhin wurde ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von Mio. € 9,25 vereinbart, wovon zum Bilanzstichtag Mio. € 8,5 abgerufen wurden“. Auch an vielen anderen Stellen des Jahresabschluss kann man entnehmen, das das Unternehmen in 2019 mehr Geld ausgibt als einnimmt. Ob sich das mittlerweile geändert hat, darüber kann ich nur mutmaßen. Spannend ist aber beispielsweise die Aussage, das man im Jahre 2020 insgesamt etwa 11.500 Stromspeicher verkaufen möchte. Das wurde lt. Pressemitteilung vom 2.12.2021 wohl deutlich übertroffen mit 40.000 verkauften Stromspeichern. Realistisch, so denke ich, wird es wohl in Deutschland etwa 50.000-60.000 Stück geben. Offizielle Informationen konnte ich bei meiner kurzen Recherche leider nicht finden.
Das bedeutet im Umkehrschluss bei vorsichtig gerechneten 50.000 Stromspeichern eine Kulanzzahlung von 1.250.000 EUR (also 1,25 Million Euro) pro angefangener Woche. Das ist eine ordentliche Hausnummer. In 2018 hat das Unternehmen einen Fehlbetrag von über 10 Mio EUR erwirtschaftet, in 2019 konnte der Fehlbetrag auf 5 Millionen Euro verringert werden. Für 2020 und 2021 gibt es, wie geschrieben, leider noch keine veröffentlichten Abschlüsse. Auch gibt es keinen Gewinnabführungsvertrag/Beherrschungsvertrag. Theoretisch könnte also im Zweifel die SENEC Insolvenz anmelden und man kann seine Ansprüche nur noch beim Insolvenzverwalter anmelden. Bleibt zu hoffen, das die Geschäftslage mittlerweile gut genug aussieht für SENEC und das Unternehmen diesen Vorfall finanziell verkraften wird. Vermutlich aber ja, sonst hätte man die 25 EUR gar nicht erst freiwillig angeboten.
Was ist bei zukünftigen Abschaltungen? Will ich das?
Das ist eine gute und sehr berechtigte Frage. Ich habe das selbst noch nicht so ganz entschieden, werde das auch erst in ein paar Wochen für mich entscheiden, wenn möglicherweise mehr Informationen vorliegen. Generell dürften jedoch die Chancen recht gut stehen für einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Hersteller auf einen künftigen Eingriff in den Betrieb des Gerätes, speziell die Fernabschaltung. Mit der bei dieser Abschaltung getroffenen Aussage, es liegen keine Probleme vor und wir schalten trotzdem ab, dürfte sich SENEC wahrlich keinen Gefallen getan haben. Insgesamt gibt es da noch den nachfolgenden Punkt, nämlich ….
Die Kommunikation vom Hersteller
Es ist irgendwie immer so. Man gibt sich sehr bedeckt und zurückhaltend mit Informationen. Am 9.3.22 wurde in der Rundmail zur Abschaltung u.a. kommuniziert: „Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Speicher Ursache für die Verpuffung waren“ oder eben auch „Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es technische Probleme mit unseren Systemen gibt.“. Am 17.3.2022 kam dann die Info, das alle Speicher wieder nach und nach in Betrieb genommen werden. Kein Wort mehr davon, das es keine Anhaltspunkte geben würde. Im Gegenteil, man wird die Systeme nun langsam und sukzessive hochfahren und dabei mit umfangreichen Tests und Validierungen etc. arbeiten. Das klingt schon nach einem Problem mit den Speichersystemen. Leider werde ich als Kunde hier ein bisschen dumm verkauft. Aber in dieser Mail werden wenigstens alle Kunden über die 25-EUR-Kulanzregelung informiert. Bisher hatte ich diese Info nur per Zufall über die Facebook-Seite von SENEC erhalten. Hinsichtlich der Ursache und den Gründen ist die Kommunikation von SENEC eher als mangelhaft für mich zu bewerten. Aber andererseits, welches Unternehmen möchte zugeben, das Ihre Produkte für einen Brand in einem Haus verantwortlich ist? Wohl keines.
Muss ich SENEC Zugriff übers Internet auf den Stromspeicher geben?
In den Foren auf Facebook wird hier ganz klar die Meinung vertreten, das man sich dazu vertraglich verpflichtet habe. An dem Punkt muss ich bereits die Stirn runzeln. Hab ich das und wenn ja, wann? Dazu schau ich mal in das Angebot meines Installateurs (die Solaris and more GmbH) und in den von mir unterschriebenen Auftrag dazu. Nirgendwo steht auch nur einmal das Wort Internet. Es ist dazu nichts zu finden. Auch steht bei der 10-Jahres-Garantie im Angebot nichts, das der Internet-Zugriff notwendig sei. Auch in der darauffolgenden Auftragsbestätigung ist dazu nichts zu finden, lediglich im Abschnitt Einspeisemanagement ist zu lesen, das die Anlagenvisualisierung über das SENEC-Portal läuft. Ja, das kann alles heißen – im Zweifel sehe ich da, wie meine Anlage aufgebaut ist. Der Begriff Visualisierung ist viel zu weitläufig.
Von einer dauerhaften, notwendigen Internetverbindung ist nichts zu lesen. Unterlagen für die Garantie des Batteriespeichers habe ich von meinem Installateur auch nicht erhalten, denn ich weiß mittlerweile, das es dort drin steht. Aber das ist für einen rechtswirksamen Vertrag viel zu spät. Dies hätte bei Vertragsabschluss vorliegen müssen, um rechtswirksam einbezogen werden zu können. Bedeutet im Umkehrschluss: Ich habe keine Verpflichtung und im Zweifel haftet mein Installateur, wenn ich das Internet für SENEC abschalte und Probleme im Garantiefall hätte.
Unternehmen machen es sich oft sehr einfach und leicht – denn der Verbraucher hat ja i.d.R. nicht so viel Ahnung von der Rechtslage. Mit dem kann man es ja machen bzw. versuchen.
Und nu? Was mach ich jetzt?
Das ist eine gute Frage. Ich werde die 25 EUR/Woche in Anspruch nehmen, wenn ich dadurch nicht auf weitergehende Rechte verzichte. Das habe ich noch nicht geprüft.
Ansonsten werde ich darüber nachdenken, ob ich gegenüber dem Hersteller einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich zukünftiger Abschaltungen geltend machen werde oder nicht. Da bin ich aktuell noch unentschlossen. Denn einerseits ist definitiv die Sicherheit sehr wichtig. Auch bin ich mir noch unschlüssig hinsichtlich des dauerhaften Zugriffs auf mein lokales Netz.
Aber Abschaltungen aus dem Grund, da „ist nix“, gehen einfach gar nicht. Inwiefern ich auch meinen Vertragspartner (und Installateur) auf Nachbesserung angehe, weil der Fernzugriff in dieser Form ein Mangel aus rechtlicher Sicht darstellen dürfte, weiß ich ebenfalls noch nicht. Erstmal muss die Funktionalität meines Stromspeicher wieder hergestellt sein, was ja lt. Ankündigung in den nächsten Tagen erfolgen soll und solche Entscheidungen mag ich auch gerne immer mit ein paar Tagen Abstand treffen – die sind dann deutlich durchdachter und auch nicht mehr so emotional, da die erste Aufregung weg ist.
Tatsächlich ist es -rein juristisch gesehen- ein interessantes und spannendes Feld, das ich auf jeden Fall noch weiter verfolgen werde.