Zu meiner eigenen Überraschung hat sich mein Freundeskreis als Frau nicht dezimiert, wie man es möglicherweise vermuten könnte. Nein, er ist sogar größer geworden. Ich suche aber auch mehr den Kontakt als früher, unternehme einfach mehr und bin auch viel offener gegenüber anderen Menschen geworden. In diesem Punkt habe ich eine 180 Grad-Wendung hingelegt. Okay, seit etwa einem Jahr ist das mit den Unternehmungen „etwas“ schwieriger geworden, aber auch Corona wird irgendwann unseren Alltag nicht mehr so bestimmen wie bisher.
Wie es immer so im Leben ist, gibt es Menschen, die man etwas mehr mag und auch wieder welche, die man etwas weniger mag. Und trotzdem trifft man sich mit allen gerne. Und dann sind da die Menschen, bei denen man aufpassen muss, da man diese nicht noch etwas mehr mag als man eigentlich geplant hat.
Einer der klassischen Fragen, die mir immer mal wieder gestellt werden (und das wird sicherlich auch in Zukunft so sein), ist, ob ich jetzt auch auf Männer stehen würde. Nun, insbesondere bei Personen, die mich erst als Frau kennengelernt haben und nichts über meine sonstige Vergangenheit wissen, finde ich die Frage immer etwas irritierend. Wer sagt denn, dass ich als Mann nicht schon auf Männer gestanden habe? Da sind wir wieder beim gesellschaftlichen Standard. Als Mann steht man auf Frauen und als Frau steht man auf Männer. Punkt. Basta. Aus. Zumindest für diesen ersten, einen Moment.
Aber die Gesellschaft kann mich mal. Kreuzweise. Und auch sonst wie. Meine klassische Antwort auf diese Frage lautet so ziemlich immer „Ein bisschen Bi schadet nie“ und damit ist das Thema auch schon wieder für den gegenüber meistens erledigt und ich erspare mir weitere Ausführungen. Was geht dem gegenüber denn meine sexuelle Ausrichtung an? Mal im ernst, eine Bio-Frau würde man doch auch nicht fragen, ob diese auf Männer oder auf Frauen steht. Aber ist man Transsexuell, ist das irgendwie anders. Ich kann diese Neugierde ja auch einerseits verstehen, so ist das nicht. Irgendwie scheint in dem Moment bei den Leuten gegenüber aber der gesunde Menschenverstand auszusetzen, sonst würde man diese Frage ja nicht stellen.
Tatsächlich ist es aber so, da ich mich doch weiterhin eher zu Frauen hingezogen fühle. Getreu dem Motto „sag niemals nie“ würde ich jetzt was mit einem Kerl nicht pauschal ausschließen. Aber so richtig vorstellen kann ich es mir ehrlich gesagt nicht. Das ist wahrscheinlich wie viele Dinge im Leben eine reine Kopfsache. Vielleicht ändert sich das bei mir auch noch. Wobei ich im Moment gar nicht so richtig weiß, ob ich will, dass sich das ändert. Es ändert sich so viel in meinem Leben, da muss ich es ja auch nicht übertreiben. Tatsächlich gab es aber da einen Mann in meinem Leben, den ich im März 2020 kennengelernt habe bei einem Treffen der Facebook-Gruppe „Bonner Singles“, der mir sehr sympathisch war, sein Aussehen gefiel mir auch und ich konnte mir mehr vorstellen. Obwohl er auch an mir interessiert war (die Kommunikation war dazu eindeutig genug), hatte er sich nicht mehr gemeldet. Wir haben uns vor kurzem nochmal getroffen und er sagte mir, das er einfach irgendwie zu schüchtern ist. Nun ja, dumm gelaufen für Ihn jedenfalls, denn ich bin derzeit glücklich vergeben. An eine Frau übrigens.
Umgekehrt gab es für mich als Frau in der Vergangenheit schon zwei Situationen, wo ich genau darauf aufpassen musste, das sich da bei mir nicht mehr entwickelt. Eben das ich mein Gegenüber nicht zu sehr mag, als ich es eigentlich geplant hatte. Ich wollte aber bei beiden Fällen die Freundschaft, die sich entwickelt hatte, nicht aufs Spiel setzen, da mir bei beiden doch recht klar war, das meine Chancen eher nicht vorhanden wären. Also zumindest glaube ich das. Und dementsprechend habe ich für mich (erfolgreich) mögliche Mehrgefühle bisher unterdrückt – wenn man sowas „erfolgreich“ nennen darf. Irgendwie kriegt man so was, glaube ich, nie komplett weg. Aber es waren auch keine richtigen Schmetterlinge im Bauch da gewesen. Irgendwas dazwischen halt.
Würde ich aber diesen Personen meine Gefühle gestehen, ist jedoch die Wahrscheinlichkeit hoch, das nichts mehr so ist, wie es mal war. Also lieber gute Freundinnen bleiben, da habe ich letztlich mehr davon. Und wenn ich ehrlich bin, selbst wenn ich Single wäre, wäre mir in diesem Falle die Freundschaft viel wichtiger.
Grundsätzlich ist mir auch bewusst, dass ich es beim Thema Partnerschaft deutlich schwieriger habe als „der Normalo“. Wer will schon eine Frau, die früher ein Mann war? Damit kommen viele schon im Kopf nicht klar. Ja, damit sind wir wieder bei der Kopfsache. Aber am Ende des Tages sind wir doch eigentlich alle pansexuell, oder etwa nicht? Wir lieben einen Menschen und nicht sein Geschlecht. Aber ich glaube, damit beschäftigt man sich als „reinrassige“ Frau oder Mann eigentlich in den meisten Fällen in seinem Leben nicht. Kann ich ja sogar verstehen. Ich hab mich damit früher ja auch nie beschäftigt…. Doch es ist doch so: Welche Frau hat sich in einen Mann wegen seinem Penis verliebt? Und welcher Mann in eine Frau wegen Ihrer Brüste oder Vagina? Ohne jetzt eine wissenschaftliche Erhebung zu dem Thema durchführen zu wollen, behaupte ich mal, dass diese Personen in der Minderheit sind und weniger als 1% der Bevölkerung ausmachen. Ich jedenfalls kenne keine einzige Dating Plattform, in der man statt eines Fotos von seinem Gesicht sein Geschlechtsteil als Profilbild bereitstellen soll …
Tatsächlich ist es aber natürlich nicht so, das es bedeutet, das man für immer Single ist, nur weil man Transsexuell ist. Erfreulicherweise gibt es in unserer Gesellschaft immer mehr Leute, für die das kein Problem darstellt. Und meine derzeitige Freundin, mit der ich nun 1 Jahr zusammen bin, liebt mich auch (unter anderem) genau deswegen.
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