Am 17. Februar lief auf dem Fernsehsender VOX zufällig die Reportage: „Mann oder Frau? Leben im falschen Körper“. Meine Freundin interessierte diese Reportage nicht wirklich.
Ich hatte sie mittlerweile in meine Gedanken eingeweiht und sie kannte diese Thematik ja auch schon. Außerdem machte ich sie extra auf die Sendung aufmerksam. Leider war ihr der Trash-TV auf anderen Kanälen wichtiger. Das tat mir schon ein wenig weh um ehrlich zu sein. Es zeigte mir aber auch, wie sie zu diesem Thema steht. Mittlerweile hätte ihr eigentlich klar sein sollen, das dies ein wichtiges Thema für mich ist.
Ich wusste aber dass meine Mutter zuhause war und genau diese Sendung schaute. Ich bin also zu meiner Mutter gefahren um mir mit ihr die Reportage anzusehen. Während der Sendung nutzte ich dann die Gelegenheit und erzählte ihr, dass ich ebenfalls so fühlen würde.
Nennt man das denn jetzt „geoutet“?
Warum eigentlich?
Ich finde „Outing“ irgendwie den falschen Begriff dafür, auch wenn er gerne dafür genutzt wird.
Ich war mir eigentlich sehr sicher, dass meine (damals) 66-jährige Mutter das recht entspannt und locker aufnehmen würde. Trotzdem war ich total nervös und innerlich angespannt. Ich glaube, das ist man in einer solchen Situation immer, alles andere wäre wohl gelogen. Die Reaktion war für mich glücklicherweise erwartungsgemäß. Alles ganz easy. Wenn ich dann glücklich bin, dann wäre Sie es auch, meinte Sie.
Ich glaube aber, dass Sie zu dem Zeitpunkt noch nicht so ganz realisiert hat, wie weit ich das durchziehen würde. Daran dachte ich in dem Moment auch gar nicht, Ich dachte genauso wenig daran, wie denn mein weiterer Weg eigentlich aussehen würde. Denn das wusste ich ja selbst noch gar nicht. Warum hätte es also meiner Mutter in dem Moment klar sein sollen? Aber der für mich wichtige Schritt war gemacht. Ich habe es ihr erzählt.
Am nächsten Tag erzählte ich meiner Freundin, dass ich sehr enttäuscht war, weil sie sich die Sendung nicht angesehen hat, obwohl es genau „unser“ Thema war. Denn in der Reportage ging es vor allem um den Umgang der Lebensgefährten, was das Thema Transsexualität betrifft. Sie wusste, dass ich die Sendung aufgenommen hatte und meinte sie könne sich die Reportage immer noch anschauen. Trotzdem war ich enttäuscht, dass sie sich die Sendung nicht direkt angesehen hat und alles andere wichtiger war. Aber es war andererseits eigentlich auch wie immer. Leider.
Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass sich meine (mittlerweile) Ex-Freundin die Sendung auch über zwei Jahre danach nicht angesehen hat und wohl auch nicht mehr ansehen wird.
Aber doch hatte ich etwas Positives zu vermelden. Ich hatte es meiner Mutter erzählt und hier war alles im Grünen. Ein erster Schritt nach Außen war getan. Ich weiß nicht ob mich das zusätzlich bestärkt hat.
Ehrlich gesagt, ich glaube es nicht wirklich.
Ja es war eine Bestätigung für mich, dass es nicht so schlimm ist dem gegenüber zu sagen, dass man in Zukunft „Frau“ und nicht mehr „Mann“ sein will. Andererseits war es meine eigene Mutter.
Viel spannender war für mich eher die Frage, wie meine Freunde, Bekannte, Nachbarn & Co darauf reagieren würden. Meine Entscheidung stand zu diesem Zeitpunkt irgendwie schon fest. Ich weiß rückwirkend betrachtet nicht mehr wer diese Entscheidung getroffen hat.
War es der Kopf oder der Bauch?
Man kennt das ja, der Kopf sagt rechts, der Bauch will links. Ich glaube, daher kommt auch immer dieses „das andere links. Vor allem im Straßenverkehr bei Frauen, da diese sehr viel auf Ihre Gefühle und Emotionen hören. Denn Emotionen haben bei Frauen tatsächlich einen ganz anderen und besonderen Stellenwert,
Ich kann auf jeden Fall vorwegnehmen, dass es sehr gut war, dass ich zügig eine Entscheidung getroffen habe. Was ich -vor allem im Nachgang betrachtet- viel wichtiger finde: Ich habe diese Entscheidung konsequent umgesetzt. Ich glaube, dass viele andere die diesen Weg gehen, genau hier einen entscheidenden Fehler machen und das Ganze zu zögerlich angehen. Das kann ich einerseits verstehen, andererseits belastet es einen mit der Zeit umso mehr.
Es gibt da ein wunderschönes Sprichwort: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“. Wenn man bei der Umsetzung der Entscheidung immer wieder zögerlich ist und das eben nicht konsequent durchzieht, dann ist das eine große Belastung die einfach kein Ende nimmt. Das sollte man -vor allem- sich selbst ersparen.
Ich habe keine Ahnung, was sonst mit mir passiert wäre, hätte ich nicht diese Entscheidung getroffen. Depressionen können mit einem Menschen echt eine Menge anstellen. Ich war definitiv am Anfang einer Depression, oder vielleicht schon mitten drin? So genau kann ich das gar nicht sagen. Auch nicht rückwirkend.
Ich habe es damals allerdings gar nicht als Depression erkannt, wie ich heute weiß. Das wiederum finde ich eigentlich viel erschreckender. Mir hat es auf jeden Fall geholfen, dass ich endlich wusste, warum meine Stimmung so schlecht war und ich eigentlich nur eine Entscheidung treffen musste. Allerdings war es eine Entscheidung, die mein Leben veränderte.
Eine solche Entscheidung sollte man nicht einfach aus dem Ärmel schütteln, sondern sich gut überlegen. Umso positiver war es für mich, dass ich -nach nur einem Monat -aus dem schwarzen Loch von selbst wieder herauskam. Ohne endlos darunter zu leiden oder gar professionelle Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen.
Ich habe es in diesem Falle glücklicherweise sehr schnell geschafft und bin mit mir ins Reine gekommen. Ich habe mein Glück sozusagen selbst in die Hand genommen. Wobei ich das durchaus als wichtigen Schritt sehe. Erkennen dass man Hilfe braucht und sich diese auch zu holen. Ein Therapeut ist nicht schlimm, er tut nicht weh und beißt auch nicht. Er kann einem aber helfen, seinen Weg zu finden. Seinen inneren Frieden und das persönliche Gleichgewicht.
Denn was bringt es, wenn das Umfeld mich mag und mit mir zufrieden ist, ich aber unglücklich bin?
Gar nichts.
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